Krumme Beete, Teil 1: Inspiration

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In den Siebzigerjahren war es dann und wann die Aufgabe von uns Kindern, mit Milchkanne am Lenker zum nahegelegenen Hof am Stadtrand zu radeln. Das Beste daran war für mich zweifellos, die harten Schädel der Kälbchen im Stall kraulen zu dürfen. Später dann waren es die frischgelegten Eier, die wir von einem kastigen alten Haus mit großem Garten und Hühnerhof für ein paar Münzen Eiergeld holten.    Der Weg zu Kühen und Hühnern führte durch Heckenwege und Wiesenstücke, vorbei an Wald und Schrebergärten – und an einem Gemüsegarten entlang, in dem Kohl und Salat, rot und grün und kraus und lila, Liebstöckel, Lauch und sonstige Gemüse akkurat ihre Reihen zogen.

Saftig und sattgrün; bodennah Runkeln und Rüben, die nach und nach ihre Kuppen in allerlei Schattierung aus der Erde schieben; und obenauf licht schwebend feingliedrige Dillschirme. Jeden Monat, jede Woche ein anderes Gesicht. Werden und Welken, kräftige Setzlinge und leere Reihen, trockene Blattspitzen und pralle Früchte. Saat und Ernte.

Wo auch immer ich heute noch solche in Reihen angelegte Gemüsebeete sehe, bin ich voll Bewunderung. Die Verheißung knackiger Ernte und köstlicher Suppentöpfe aus gezähmtem Grün – in meinem Garten undenkbar. Hier ranken und spazieren die Pflanzen wie sie wollen. Diese Freiheit danken mir die Tomaten mit reicher Ernte, allerdings haben sie das Salatbeet gleich miterobert und Rucola und Gürkchen Licht und Wasser abgegraben.   Das ist schon okay. Ich würde es nie schaffen, diese akkuraten Reihen von Rüben und Radieschen zu zähmen, oder auch nur zähmen zu wollen.

Der Anblick solcher Gärten entzückt mich jedoch jedes mal zutiefst. Ich könnte stundenlang an Zaunpfosten lehnen und genießen.

… gefunden in einem Alpendorf …

Vielleicht pinne ich das Bild einfach an mein Hochbeet und die Pflanzen machen das dann mal schön selber. Bis dahin: bin ich der Typ für Krumme Beete. Das ist ja sogar das Schöne an all diesen schnurgeraden Reihen – dass sie eben nur bedingt exakt sind, weil bei aller Geradlinigkeit die Pflanzen doch immer ein wenig aus der Reihe springen und lebendig in ihre eigene Richtung wachsen. Keine ist wie die andere. Und wenn ein Dutzend Brokkoli genau auf Reihe steht, wie die Fußballer bei der Nationalhymne, sind sie zwar alle irgendwie gleich, spielen alle für dasselbe Team, aber jeder ist halt doch ein Individuum. Vielleicht hat mich das auch schon immer heimlich gefreut, wenn ich die perfekten Reihen sah – perfekt und eben doch nicht durch dieselbe Schablone gedrückt. Artig, aber immer individuell.

Als ich meine diessommerliche Urlaubsstrickerei begann, kamen mir mit all den gestrickten Streifen gleich diverse Beete in den Sinn. Nicht nur die abgesteckte Gartenerde, sondern auch Rote Bete und andere Rüben.

Löwenzahn, ordentlich in Fugen aufgereiht
LogCabin: Streifen um Streifen aus der Mitte heraus angelegt
Krumme Beete, in Arbeit

Die Streifen des überdimensionalen LogCabin sind zwar rechnerisch exakt, so wie die mit Schnur gezogenen Saatlinien, sie führen aber durch unterschiedlichste Garnqualitäten alle ein bisschen ihr Eigenleben. Der eine Streifen biegt sich, der andere krümmt sich und nimmt ihn auf, gibt Raum, schiebt sich dafür an der Ecke nach außen… Und trotzdem fügt sich alles aufs Wunderschönste ineinander. Das Krumme, Organische betrachte ich voller Respekt und Bewunderung. Glückseligkeit.

(Es wird nach und nach weitere Infos zur Strickdecke Krumme Beete geben, und wenn sie fertig ist auch eine Anleitung, bzw. alle Erfahrungen und Tricks, die ich auf dem Weg gesammelt habe.)

Wimpelgrüße

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Was war das für ein schöner Sommermarkttag, neulich in der Patchworkdiele in Jeinsen! Ich grüße alle, mit denen ich dort so nett plaudern durfte!

Mein blog ist kürzlich auf die neue ildico-Webseite umgezogen – siehe auch vorheriger Beitrag ♡ – und ich freue mich, Euch jetzt hier von Zeit zu Zeit den Tag mit farbfrohen, kleinen Teilchen zu versüßen.   Was mich wieder zurück zum Thema Sommermarkt bringt, bei dem nämlich eine farbfrohe Kleinigkeit sehr sehr gut ankam:

Die Wimpelkette! Diese Wimpelgrüße machen einfach gute Laune.

Wir haben seit Jahren die ein oder andere dieser Wimpelketten im Garten, am Schuppen, an der Dachkante. Nach ein paar Jahreskreisen inklusive Wintern unter freiem Himmel dürfen sie zwar durchaus mal durch neue Fähnchen aufgefrischt werden, aber ich bin ja ein großer Freund von Textilschmuck im Garten, Vergänglichkeit hin oder her.   Apfelbäume umhäkeln, Regenrohre bestricken, es wird alles umgarnt. Und dazu eben auch gerne Fähnchen und Wimpel. Wenn man sie etwas geschützter hängt, unter Terrassen- und Balkonüberdachungen, Carports oder in den Eingangsbereich, bleiben sie um so länger schön.

Die Resonanz neulich hat mich darin bestärkt, eine Anleitung für diese schmückende Girlande zu schreiben, damit Ihr Eure eigenen Wimpelgrüße gestalten könnt. Die kleine Näherei ist einfach erfreulich. Als Bonus enthält das mehrseitige, im Shop erhältliche pdf-Dokument eine Schritt für Schritt Anleitung, wie beim Lieseln Rauten geheftet werden; sogar mit einer Variante, bei der die sonst überstehenden Nahtzugaben eingeklappt werden – das ist nicht nur für Wimpeldreiecke nützlich, sondern beispielsweise auch beim Applizieren von Sternen.

Natürlich sind die Wimpelgrüße nicht nur für den Einsatz draußen gedacht, sondern verbreiten auch drinnen in der Wohnung ihren sanften, freundlichen Zauber.

Einladend, begrüßend, liebenswert!

Wimpel können message und statement tragen wenn man sie einzeln mit Buchstaben versieht. Zum Beispiel an der Zimmertür: Ob die Wimpel liebevoll den Namen eines Kindes buchstabieren 
(♡ P A U L A ♡ mit Schnörkel und Blümchen) oder ob es eher die Phase für   !  S T O P P  !   oder [wüste Flüche] und Totenkopfprint ist (aber das schon mal gar nicht auf peinlichen Wimpeln, Mama, also bitte!!!), hängt deutlich vom Alter des Schnuckelchens ab.

Zum Glück ist man nie zu jung oder zu alt für ein freundliches 
W I L L K O M M E N  oder 
H O M E  S W E E T  H O M E  oder  
F R Ö H L I C H E   W E I H N A C H T E N  U N D E I N F R O H E S N E U E S J A H R  – und wem das deutlich viel zu viele Wimpel zu besticken sind, der wähle einfach  X M A S.  

Oder  L I V E   L  A U G H   L O V E   
bzw.   L E B E   L I E B E   L A C H E    was alles in allem ganz schön viele Ls sind, und man kann sie rund ums Jahr im Flur hängen lassen und nicht nur im Advent, in dem man eh immer überdimensional zu tun hat, und dann noch Girlanden suchen / nähen / aufhängen und das Ganze dann schon im Juli bedenken… Also nee. Dann doch lieber die Ls.

L wie Lieblingsgirlande.  
Ich hoffe, Ihr habt ebenso viel Spaß daran!

Komebukuro!

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Hallo Ihr Lieben! Willkommen zurück!

Wie startet man nach langer Pause neu? Wo war ich?
Eigentlich immer da; denn wie Donald Duck schon sagte: „Well anyway I‘m not lost. I know I’m still somewhere in Alaska.“ Was ziemlich frei übersetzt und in meinem Sinne bedeutet: Ich kann mich gar nicht verirren, ich weiß doch, dass ich immer irgendwo im Universum bin. Also.

In den letzten Jahren habe ich mein Atelier siebenundzwanzig mal umgeräumt, aussortiert und wieder vollgestopft mit Ideen und Plänen und Projekten aller Art, bis hoch unter die Decke. Nochmal durchsortiert, alle braunen Pappkartons entfernt, Skizzenbücher gefüllt, ausgemistet – immer auf der Suche nach Erkenntnis.

Es gibt diese meditative Übung, die, kurz gesagt, im Prinzip so funktioniert: Man setze alle momentanen Gedanken und Gefühle innerlich an einen metaphorischen, großen Tisch, um aktuelle Bestandsaufnahme zu machen. Was ist da drinnen eigentlich los? Diese Szenerie wird schön mit geschlossenen Augen und tiefenentspannt aus dem Beobachterposten heraus inspiziert. Jeder Gedanke, jedes Gefühl bekommt einen Platz. Da hockt dann beispielsweise der innere Schweinehund bockig und mampfend vor der Chipsschüssel, kurz davor die Füße auf den Tisch zu legen, oder das Pflichtbewusstsein dreht hübsch abwartend Däumchen, und neben der dauergniggelnden Amüsiertheit sitzt die Seriosität und sagt Also bitte!
So etwas in der Art.

Meine imaginäre Tischrunde präsentierte sich größtenteils wohlerzogen, wie das Renaissancebild einer sommerlichen Picknickgesellschaft. Nur einer passte nicht ins sittsame Bild: Es gab da diesen einen Mitspieler, der nicht mal ansatzweise bereit war sich hinzusetzen – außer vielleicht mitten auf die Tafel, mitten auf die Himbeertorte. Es war dieses kreischende, springende Äffchen, Creme von den Fäusten schleckend, das die Bäume rauf- und runterflitzte und begeistert krähte: „Ich will alles!!! Es ist ALLES so spannend und aufregend und – WOW! Habt Ihr diesen unglaublichen Vogel da gesehen?! Jetzt schwinge ich mich unbedingt sofort zu diesen duftenden Blüten da vorne und dann werfe ich Steinchen in den See, könnt Ihr es sehen und hören, und zack! den Baum rauf und drei Tannenzapfen auf die Humorlosigkeit geworfen, was ist die bloß so unentspannt? High Five mit der Albernheit, und jaaa, ich schreie, wann ich will, und wieso kuckt Ihr jetzt alle so komisch? ICH hab die Zeit meines Lebens!“ Irritiert klappte ich die Augen auf (mein chinesisches Sternzeichen ist Affe, hihi haha hoho, wenn schon, dann richtig) und fragte mich: Was war das denn bitteschön?! Die Erkenntnis? Ääähm …. Ich nehme 1 x alles oder was? Je bunter, je besser? Und unter dem Applaus des prächtig gedeihenden Äffchens begann ich wieder mit malen, collagieren, stricken, häkeln, zweifarbig stricken, handnähen, maschinenähen, experimentieren, texten, drucken, streichen, tuschen, backen, schreiben … Ab und zu kann man daran schon verzweifeln. Sollte ich nicht mal klare Kante … ? Und besser mal 24/7 bei einer Sache bleiben …? Aber jedes Mal, prompt wie der Sturm nach Februarvollmond, schiebt sich das Äffchen ins Bild und ruft lebensfroh und begeistert Hallooo! Ich bin‘s!!! Die Vielfalt! Deine zweite Natur! Yeah! Heyyy, was machen wir heute?!

Ich bin wie ich bin. Das sagen jetzt bitte mal alle im Chor. Weil wir das alle viel zu oft vergessen. Jeder ein Unikat, zusammen eine große Vielfalt.

Und nun möchte ich mein Fenster zur Welt wieder öffnen, und zeigen und teilen, was alles so aus meinem Farbtopf und kreativen Herzen herausbrodelt.

Der blog konnte wieder starten, weil die neue Webseite online! ist. Frisch, funktional und neu gestaltet. Es hat eine Weile gedauert, aber jetzt bin ich sehr glücklich darüber. Inhaltlich wird über die Zeit etliches dazukommen. Wenn Ihr Fragen habt oder etwas sucht, meldet Euch gerne. Auch der Shop wird nach und nach bestückt; mit dem gewohnten Lieselzubehör, mit Anleitungen zum Download, aber auch mit meinen neuen Lieblingen, den Unikaten im ildico-Design.

Heute: Komebukuro! Was hier so klingt wie ein interstellares „Lebe lang und in Frieden!“, ist japanisch und bedeutet Reisbeutel. Wie ich gelernt habe, wurde dieser quadratische Zugbeutel früher zum Transportieren von Reiskörnern verwendet – und später eher zum Verpacken von Geschenken oder Kleinigkeiten.

Kaum dass ich jammerte, dass ich gerade keine olle Jeans zum Experimentieren hätte, gab mir eine liebe Freundin ausrangiertes Hemd und Hose zum Zerschneiden. Es ging mir in dem Moment eigentlich um Jeanstaschen, es entstand aber ein Reisbeutel. Die Dinge haben ja so häufig eine Eigendynamik, und sich dagegenzustemmen ist meistens sinnlos. Wenn Stoffe sagen, dass sie ein japanischer Reisbeutel werden möchten, dann lohnt es sich, darauf zu hören.

In diesem Modell wohnt inzwischen schon ein glückliches Strickzeug. Und bei mir sprudelten nach diesem Experiment etliche weitere Komebukuros hinterher. Demnächst auch hier im Shop zu finden.
Ich wünsche Euch einen zauberhaften Junitag! (Mein aktuelles Projekt heißt prompt “Another Day in June / An einem Junitag” – aber das ist eine andere Geschichte)

♡♡♡ Liebe Grüße in alle Richtungen! ♡♡♡

Gedanken über den Kleiderbügel

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bestrickter Kleiderbügel am Werkstattschrank, letzte Fäden soeben vernäht

Mit dem Kleiderschrank ist das so eine Sache. Meistens ist viel zu viel drin. Aber gerade, wenn man eine Schwäche für Textiles hat, hat man für eine Menge Kleidungsstücke aller Arten gute Argumente.    Irgendwann bin ich dazu übergegangen, meine Garderobe nach Farben zu sortieren. Sehr erfrischend, nützlich, und teilweise erstaunlich. Doch soviel Schwarz? Erstaunlich viel Weiß. Fast kein Gelb oder Grün. Rottöne, viele diverse. Blau, Lila, sowieso. Warum Grau?     Wer sich zu zweit eine Kleiderstange teilt (meine Hälfte, deine Hälfte), kennt vielleicht den Effekt, dass sich periodisch seine/ihre  Hemden/Kleider rüberdrängeln und versuchen, Raum zu erobern. Dabei gewinnen nur die Knitter und Falten in den plattgedrückten Stücken.  Also wieder eine Aussortieraktion, und das Auslagern von Shirts in Kommodenschubladen.

(Schon wieder viel zuviel, und die Farbsortierung den Bach runter.)

Einiges bleibt auf Bügeln. Aufgebügelt, sozusagen. (Als ich irgendwann mal einen Studentenjob in einer Modeboutique machte, bekam ich einen ziemlichen Schock als die Chefin auf turmhohe Berge von Warenkartons zeigte und uns Mädels anwies: “Die Ware müsst Ihr aufbügeln!”. Ich sah mich schon schwitzend endlose Stunden am Bügelbrett stehen  –  aber nein, die Ware musste nur Auf Bügel. Aha.)

Diese Drahtbügel von der Wäscherei, aus denen man so gut Herz oder Kreis als Rankhilfe für Zimmerpflanzen biegen kann, finde ich sehr fotogen. Stylisch. Understatement. Reduziert aufs Wesentliche, ein Stück Draht, gebogen, um wertvolles Textil zu tragen.   Aber ehrlich, praktisch sind sie nicht, außer für Tops oder sonst irgendwas mit Spaghettiträgern.   Und da ja unser schönster Handarbeitsdaseinszweck darin liegt, das Alltägliche zu versüßen und dem grauen Alltag etwas Farbe zu verleihen, der Wolke quasi ein lächelndes Gesicht zu verpassen, ist es so eine charmante, nette, (un-)nötige Geste, einfachen alten hölzernen Kleiderbügeln ein verziertes Strickkleid maßzuschneidern. Über dem sie dann unser Kleid tragen.

Auf den Punkt und wenig hübsche Bügel gebrachte Garderobe. Das wär’s doch.